Neuburger
Rundschau
19.10.2002
Durch: Dr. Tobias Böcker
Randy Weston Trío
Was tags zuvor im
ägyptischen Alexandria anlässlich der Bibliothekseinweihung noch vor den
Staatschefs Chirac und Mubarak erklungen war, entführte die Zuhörer im
Neuburger Birdland auf eine Reise von Nordafrika bis in die neue Welt. Mit
Randy Weston war ein Pianist an die Donau gekommen, der fernab von
jedweder weichgespülten Weltmusik Zusammenhänge aufzeigte, die den
musikalischen Kosmos der Moderne geprägt haben.
Wie wenn es außer ihm sonst niemanden gäbe auf diesem Planeten setzt sich
Randy Weston auf den Klavierschemel des Jazzclubs, beginnt eine
ausgedehnte Soloimprovisation, aus der sich zunächst ein Thema überhaupt
nicht herausschälen will.
Er spielt mit der Manövriermasse zwischen dem schwarzen Kontinent und dem
Land der unbegrenzten Möglichkeiten, gibt dann unversehens seinen beiden
Mitstreitern Gelegenheit einzusteigen in eine ostinat rollende Fahrt über
groovende Klangwogen.
Der Bösendorfer begibt sich auf den langen Törn über den großen Teich:
Afrika, die Karibik, Amerika in der Mitte, im Süden, im Norden, Westons
Seereise verfolgt beharrlich die Spuren derer, die unter den Decks das
Weltmeer bereisten von Ost nach West.
Die neue Welt wurde von den Europäern "entdeckt", Afrikaner aber waren es,
die sie zu weiten Teilen - unfreiwillig - urbar machten und den Reichtum
der Eroberer ermöglichten.
Nicht, dass sich hier ein verkniffener Black Power Exponent nach Neuburg
verirrt hätte, nein: die Verzweiflung Bud Powells mischt der in den
Staaten geborene Wahlafrikaner mit dem unverdrossenen Lebensmut Fats
Wallers, den Eigensinn Monks mit dem hippen Selbstbewusstsein Dizzys, die
Spurensuche Ellingtons mit seinen eigenen Erfahrungen.
Weston spürt der Afrikanisierung der Musik nach, sucht nach den Spuren,
die Afrika hinterlassen hat in der neuen Welt. Das entwickelt Sogkraft und
Suggestion, Melodie und Magie, Rhythmus und Reiselust, Beharrlichkeit und
Bewegung.
Mit James Lewis am Bass und
Neil Clarke an der Percussion hat sich Randy Weston gleich zwei Alter
Egos mitgebracht in den Keller unter der Hofapotheke. Die drei verwandeln
das Birdland mehr und mehr in einen wundersamen Seelenverkäufer, der sich
von Marrakesch aus auf den Weg macht hinaus auf das Meer der Zeit.
Reprinted with
permission Copyright (c) 2006
Neuburger
Rundschau and
Dr. Tobias Böcker
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